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Anregungen zur Neuerfindung der Weiterbildungsbranche

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Wie die Zeit vergeht! Heute feiere ich 10 Jahre Selbständigkeit und 10 Jahre BRAIN-HR. Danke an alle, die mich bis hierher begleitet haben! Was damals aus purer Faszination und Neugier entstand, wurde schnell zu einer Transferschmiede für neurowissenschaftliche Studien in die Welt des Trainings, Coachings und der Beratung. Heute ist BRAIN-HR eine feste Größe, wenn es um wissenschaftliches Empowerment für die Brains im HR-Bereich, insbesondere im Learning & Development geht. 

 

Um Ermutigung und Ermächtigung geht es in unserer Zeit der Schock-Transformationen mehr denn je. Veränderungen von nie dagewesenem Umfang wollen gestemmt werden. In unserer Branche. In der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft. Von den Verdrossenen und Verzagten, den Jammernden und Saumseligen ist hierbei keine Hilfe zu erwarten. Unsere Profession, Menschen ermutigend durch Lern- und Entwicklungsprozesse zu begleiten ist dabei, zur Radnabe der Entwicklung der Wirtschaft zu werden. Denn an der Frage, wie schnell und wie zielführend wir uns weiterentwickeln, hängt ein Großteil unserer Zukunftsperspektiven. 

 

Dabei bleibt es für mich eine schmerzhafte narzisstische Kränkung, dass ein fieser Winzling mit weniger als 30.000 Basenpaaren RNA etwas geschafft hat, was Heerscharen zweibeiniger Personal- und Organisationsentwickler*innen, Trainer*innen, Coaches, Berater*innen mit einem Genom von satten 3,2 Milliarden Basenpaaren pro Nase, mit all ihrem Hirn und all ihrer Psychologie vorher nicht hingekriegt haben: 1) die Durchsetzung der Homeoffice-Option als einer entscheidenden Ermöglichungsbedingung für eine gendergerechte, Diversität zulassende Wirtschaft, 2) das Vorantreiben der Digitalisierung, die nicht verschlafen, sondern aktiv ausgebremst wurde – auch in unserer Branche, 3) das entschiedene Eintreten für wirklich innovative Mobilitäts- und klimafreundliche Geschäftskonzepte und so weiter und so fort. Hier haben wir uns als Vordenker*innen und Innovationskatalysatoren nicht gerade mit Ruhm bekleckert.  

 

Da sind wir nicht zuständig? Das ist die Aufgabe des Top-Managements? Das sehe ich anders. WIR sind zuständig für’s Vordenken, Mahnen, Unbequemsein, Aufrütteln, Infragestellen, Möglichkeitsräume aufzeigen, Innovationen-Ermöglichen, Über-den-Tellerrand-Denken, Anstiften, Revolutionen-Anzetteln!

 

Wäre es nicht mal eine Benchmark für unsere Branche, mindestens so wirksam zu werden wie ein Virus – und mit unseren Konzepten mindestens so viral 😀? 

 

Wenn wir als Personal- und Organisationsentwickler*innen wirksamer werden wollen, müssen wir wohl mit einigen Attitüden aus dem Dunstkreis der humanistischen Psychologie, aus denen ein Großteil unserer Trainer- und Coach-Ausbildungen gestrickt wurde, radikal brechen. Allen voran mit den heiligen Kühen des positiven Denkens und der Lösungsorientierung, die uns im Kreislauf der Selbstaffirmationen gefangen halten. Mit R. K. Sprenger könnten wir vielmehr die positive Kraft des negativen Denkens“ entdecken, indem wir kritisch nach dem Übel fragen, das uns und unsere Kund*innen so hartnäckig ans traulich Eingewohnte verhaftet hält. 

 

Sapere aude, habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, schreibt Immanuel Kant im Jahr 1784 als Programm der Aufklärung fest. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass der Grund für die Stagnation nicht alleine in einem Mangel der Entschließung und des Mutes zu suchen ist. Denn, das hat dieses Corona-Jahr gezeigt: wenn die „alternativlose“ Notwendigkeit besteht, dann setzen wir notwendige Änderungen einfach um – egal, ob wir lieber mit den Kolleg*innen in der Kaffeeküche stünden, egal ob die wichtige Videokonferenz mehrfach vom schwächelnden WLAN oder ein paar Indianer-Pimpfen auf dem Kriegspfad gestört wird. Change happens hieß, ganz in diesem Sinne der Titel unseres Change-Buches: Veränderungen passieren einfach als Anpassungsleistungen unseres flexiblen, plastischen Gehirns, wenn sie nicht aktiv verhindert werden. Was also verhindert Veränderung, wenn es nicht am Mut liegt, sich seines Verstandes zu bedienen? Doch nicht etwa ein Mangel an Verstand?

 

DOCH, GENAU DAS! Ich meine, wir sind schlicht und ergreifend kollektiv zu doof für diese Welt. Damit meine ich nicht den selbstgerechten Fingerzeig auf andere, angeblich "dumme" Menschen. Ich meine die Art, mit der wir unser eigenes intellektuelles Potenzial sträflich vernachlässigen. Wie oft nehmen wir uns in unseren Hamsterrädern noch Zeit, unseren Geist zu pflegen? Wie oft schaffen wir uns zielfreie Zeitinseln, in denen wir unseren Gedanken freien Lauf lassen und auf neue Ideen kommen können? Wie oft schärfen wir das, was Robert Musil als Möglichkeitssinn dem Wirklichkeitssinn gegenübergestellt hat?

 

Ich sehe hoch intelligente Menschen, die sich nach einem geistig fordernden Studium und vielen fachlichen Komplexitäten im Arbeitsleben irgendwann einreden lassen, ein Konzept, das nicht auf einen One-Pager passt, sei nicht durchdacht. Die didaktisch reduzierte Seminare über sich ergehen lassen, bis sie wirklich glauben, alles Nützliche wäre einfach. IST ES NICHT! Der Gedanke ist wohl eher die Malware eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, das eine gewisse Unterkomplexität seiner Mitglieder durchaus zu schätzen weiß. Wer hier weiterdenken will, sei an Herbert Marcuses Buch Der eindimensionale Mensch verwiesen. 

 

Wirklich disruptive, also der Viralität zumindest verdächtige Themen klammern wir in unseren Personal- und Führungskräfteseminaren meist noch zugunsten eines Jahrzehnte alten, punktuell immer noch hilfreichen, allerdings längst nicht mehr ausreichenden Kanons harmloser Psycho-Inhalte und Workshop-Partyspiele aus. Ich meine die traute alte Seminarwelt zwischen dem Eisberg und den vier Ohren, zwischen innerem Team und GFK, zwischen Ressourcenarbeit und Glaubenssätzen. Noch ein wenig TA hier und ein wenig systemische Arbeit da, eine Prise NLP zum Auftakt und ein paar vierfarbige Persönlichkeitsschablonen mit Verhaltenstipps zum Abschluss.

 

Hier werden manchmal die Parallelen unserer „lehrenden“ Branche zum Schulsystem allzu augenfällig: denn wie stark unterscheiden wir uns mit unserem Standard-Repertoire vom Klischee-Lehrer, der seine alten Overhead-Folien und Matrizen bis zur Rente Schuljahr für Schuljahr recycelt? Wie viel besser bereitet Personalentwicklung Mitarbeitende und Führungskräfte auf die Zukunft vor als die Schule unsere Kinder? 

 

Was aber wäre der Stoff, aus dem wieder die Saat des verkümmerten Verstandes aufkeimen könnte? Der den Experten, von denen viele durch intellektuelle Käfighaltung zu Fachidioten degeneriert sind, die Flugfähigkeit zurückschenkt, sich auf die Metaebene zu erheben und mehrere, zueinander in Spannung stehende Perspektiven simultan einzunehmen? 

 

Woher sollen diese anderen Perspektiven denn kommen? Wenn wir sie nicht INHALTLICH zu wesentlichen Bestandteilen des täglichen Lernens erheben und ins Zentrum der Personalentwicklung rücken? Dazu müstsen wir uns als Trainierende neu erfinden und uns von unserem inhaltsabstinenten Prozess- und Methodenfetischismus verabschieden. Das mag ein Stück weit schmerzen, hatte doch die Inhaltsabstinenz einen hohen sekundären Gewinn: wer fachlich nie etwas auf der Pfanne hatte, oder sich inhaltlich nicht wirklich weiterentwickeln wollte, konnte sich bequem auf dem Argument ausruhen, ein Einstiegen in die Inhalte störe nur den neutralen Prozessblick und verleite Trainer*innen und Beratende, sich allzu sehr in die Sinnkonstruktionen der Teilnehmenden oder Klient*Innen einzumischen. Ein fast wasserdichter Abwehrmechanismus gegen das Bewusstwerden eigener Inkompetenz, gestrickt aus Vulgär-Konstruktivismus und Convenience-Psychologie. In einer Zeit, in der sich so viel so schnell verändert, dass Klienten Lösungen einfach nicht "aus sich selbst heraus" entwickeln können, verfängt die faule Ausrede jedoch immer weniger. Veruschen Sie doch mal, bloß Ihr Buchhaltungsprogramm durch intuitiven Kontakt mit der Weisheit Ihres Unbewussten in den Griff zu kriegen. Bei Investitionen, Sales Funnels, Strategieentwicklung, digitaler Führung etc. etc. funktioniert das umso weniger.

 

Wenn wir den Sprung ins Fachliche wagen und unsere zweifelsfrei wichtige Prozesskompetenz mit Fachkompetenz bewusst und reflektiert kombinieren, eröffnen sich völlig neue, zukunftsträchtige Tätigkeitsfelder und lukrative Geschäftsmodelle. Hier gibt es eine Menge an Gebieten, auf denen wir uns künftig tummeln – und je nach persönlichen Präferenzen – selbst fortbilden können, um Kund*innen echten Mehrwert zu bieten und zugleich eigene krisensichere USPs zu entwickeln:  

 

  • Wo bleiben etwa die Seminare zu makroökonomischen Theorien, Finanzmärkten, Zukunftstechnologien in den Bereichen Artificial Intelligence, Healthcare, Mobilität, und Telekommunikation? Und zwar auch und GERADE für solche Teilnehmer*innen, die DIE DIESE INHALTE NICHT UNMITTELBAR BRAUCHEN! Weil wir im Hirn eben MATERIAL benötigen, um auf neue Ideen zu kommen, die Belange der Gesamtorganisation und der Schnittstellenpartner*innen zu verstehen und Lösungsmuster aus fremden Bereichen auf den eigenen Verantwortungsbereich zu transferieren - wie etwa die St. Galler Bionik von Fredmund Malik biologische Evolutionsprinzipien auf die Organisationsentwicklung überträgt. Die neuen ökonomischen Modelle, die Alternativen zum suizidalen Turbokapitalismus aufzeigen, sind ja längst da: von der nachhaltigen Doughnut-Ökonomie bis zu den evolutionären Evonomics-Ansätzen. Jeztzt braucht es nur noch Multiplikator*innen, die sie in die zentren der realen Wirtschaftmacht tragen und viral verbreiten helfen. Das wäre doch einmal wichtig.

 

  • Neue Ideen kommen, indem man sie sät und Menschen damit vertraut macht – nicht durch „Kreativitätstechniken“ vom Kindergeburtstag. Dazu müssten wir selbst aber erst einmal kräftig aufrüsten und unseren eigenen Bildungshorizont weit über das schmale Repertoire aus der Trainer- und Coach-Ausbildung heben. Wie viele Fortbildungen, zum Beispiel Micro-Degree-Kurse auf edX, Udemy, Udacity oder GetSmarter besuchst Du pro Jahr, um von den heute leicht zugänglichen Lehrveranstaltungen der weltweiten TOP-Universitäten zu profitieren? Wie oft lernst Du etwas völlig Neues, Fachfremdes, um Deinen eigenen Horizont einmal radikal zu erweitern?

  • Wo bleiben die Seminare, die Menschen mathematische und statistische Grundkompetenzen vermitteln? Wissen, das es ihnen nicht nur ermöglicht, die aktuelle Corona-Epidemiologie geistig zu verarbeiten, sondern zum Beispiel ihre Kennzahlen zu verstehen, mit denen sie die Menschen und Unternehmen führen. Denn wer die Mathematik hinter seinen KPIs nicht versteht, steuert kaum besser als ein Affe hinterm Lenkrad. Und wer Führungskräfte bei schwierigen Entscheidungsprozessen berät oder gar Entscheidungsseminare gibt ohne ein Grundverständnis des Bayes-Theorems zu besitzen, ist wie ein Bademeister, der nicht schwimmen kann. Und wenn heute, Bologna sei’s geklagt, Hochschulabsolvent*innen mit dem Unterschied zwischen Mittelwert und Median überfordert sind oder p-Werte mit Effektstärken verwechseln, sind sie dem Lügen mit Statistik hilflos ausgeliefert. Übrigens: auch wer sich ernsthaft mit Psychologie beschäftigt – und das ist ja doch noch sehr im Kernbereich des klassischen Trainer*innen und Coach-Berufes, kommt an Statistik nicht vorbei! Meine heiße Empfehlung für alle Kolleg*innen ohne Mathe- und Statistikallergie, die sich hier weiterbilden wollen, ist die Statistikakademie von Daniela Keller.

  • Wo bleiben die Philosophie-, Geschichts- und Literatur-Seminare, die Menschen wieder das Denken und das Erkennen wiederkehrender Muster beibringen? Nichts immunisiert so sehr gegen die Ideologismen des Zeitgeistes. Wer etwa, der Nietzsche kennt, würde angesichts der überwertigen Ideen des positiven Denkens und der radikalen Selbstverantwortung nach dem Motto „Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen“ nicht an „Sklavenmoral“ denken. Schließlich wird das Individuum geächtet, das Negatives beim Namen nennt und von den Verursachern Abhilfe verlangt. Gut ist, wer auch auf der Galeere die Chancen sieht und in sich selbst nach einer Problemlösung sucht. Wie wollte jemand die Steuerung von "Wahrheit" durch Macht ("Machtdispositive") in Unternehmen, Politik und sozialen Medien ohne Michel Foucault verstehen? Oder das faschistoide Potenzial des Erfolgs- und Expertenkults ohne das Konzept der instrumentellen Vernunft von Horkheimer und Adorno? Letzterer hat uns übrigens mit seinem Kernkonzept der negativen Dialektik die Freiheit zurückgegeben, das Bestehende zu negieren - ohne gleich wieder in Position übergehen zu müssen. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was gerade an Entwertung des Querdenkens durch dumpf identifizierte "Querdenker" passiert.

  • Wo bleiben die echten Psychologie-Seminare, die den inzestuösen Sumpf der humanistischen Psychologie mit ihren eskapistischen Heile-Welt-Phantasmen verlassen und die ganze Bandbreite empirischer Erkenntnisse für die Praxis nutzbar machen? Denn sie sind längst da, die Modelle, die etwa unsere Anfälligkeit für Desinformation über die sozialen Medien oder für Verschwörungstheorien und Fake News, zum Beispiel durch die Terror Management Theory und die Biologie unseres Bindungssystems verstehbar und in Grenzen beeinflussbar machen. Die Befunde, die eine Neu-Konstruktion von Motivierungsinstrumenten in Unternehmen jenseits der Skinner Box (Futterpellet oder Bonus vs. Elektroschock oder Beförderungsstau) inspirieren können. Denn im kraftvollen Verbund mit der Neuropsychologie werden untote, jedoch umso mächtiger handlungsleitende Theorie-Leichen des Behaviorismus, des homo oecononicus, des Taylorismus oder der Maslow'schen self-actualization Theory erkennbar, die in den Unternehmen immer noch ungebremst ihr Unwesen treiben. Hier können wir unseren Auftraggeber*innen regelmäßige Updates für ihre Führungs- und Entscheidungs-Navis geben!

 

 

All diese Themen kommen in der heutigen Personalentwicklung indes nur in seltenen Ausnahmefällen vor. Ein riesiges Feld für alle, die artgerecht fordernde Angebote zur IQ-Entwicklung auf den Markt bringen wollen. Also ran an den Schreibtisch! Es wollen GERADE JETZT eigene Fortbildungen absolviert und neue Konzepte geschrieben werden!

 

Doch ach, es gibt eine Menge Entschuldigungen, genau das nicht zu tun und auf eine Rückkehr zur alten Welt zu hoffen. So als sehnten wir den Corona-Impfstoff als Vakzin gegen die radikale Veränderung unserer Welt herbei. Doch das alte Leben bekommen wir so nicht mehr zurück. Gott sei Dank! Sonst würden wir wohl noch eine geraume Zeit lang für ein dreistündiges Meeting in den Flieger steigen, Legebatterie-ähnliche Großraumbüros bevölkern, uns von Fernost als digitales Entwicklungsland abhängen lassen, Frauen durch unsinnige physische Anwesenheitspflichten de facto an den Herd ketten. Eine gängige Ausrede dagegen, in Wissen zu investieren finde ich besonders dämlich.

 

Es ist die Mär, dass es das ganze Wissen ja völlig gratis im Internet gebe, dass Wissen daher nichts mehr wert sei, und man damit folglich auch kein Geld verdienen könne. Was für ein hirnloser Schwachsinn! 

 

Informiere Dich einmal wirklich kompetent über die Epidemiologie von Corona, die unterschiedlichen Anwendungsfelder und Implementierungsoptionen von machine learning im Gegensatz von deep learning oder über jedes beliebige komplexe Thema, das viel Vorwissen voraussetzt, bevor verfügbares Wissen überhaupt nutzbar ist. Wir brauchen angesichts der Fülle der Auswahlmöglichkeiten Innovation-Scouts, für die Unterscheidung zwischen verlässlicher Information und Bullshit Generalisten mit anwendungsorientiertem Wissensvorsprung, für das Wissensmanagment, den Lernprozess und den Transfer Lerncoaches mit Kompetenz im Bereich agiler Lernprozesse. 

 

Das gehört zu den wichtigsten und daher mit absoluter Sicherheit auch künftig gut monetarisierbaren Dienstleistungen. Außerdem lernen Menschen nicht gerne ohne äußere Struktur und den Rückhalt der Gruppe, was den Massive Open Online Courses (MOOCs) zum Teil Abbuchquoten von nahezu 90% beschert – obwohl sie oft von Elite-Universitäten veranstaltet und fachlich wie didaktisch hochkarätig gestaltet sind. Lernbegleitung durch Trainer*innen und Coaches mit einer Mischung aus Prozesskompetenz und Hard-Skill-Kompetenz wird daher zu einem Mega-Markt der Zukunft. 

 

Was sollen wir tun? Wir als Trainer*innen und Coaches müssen und jetzt auf das besinnen, was wir unseren Teilnehmenden schon immer predigen: die Komfortzone verlassen und völlig neue Dinge dazulernen. Schaue ich mich im BRAIN-HR Netzwerk um, so gab es kein Jahr, in dem wir so viel Zeit und Geld in Fortbildungen gesteckt haben wie das Jahr 2020. Denn es gibt keinen besseren Zeitpunkt für massive Investitionen in Fortbildung für alle, die noch an der Zukunft teilhaben wollen. 

 

Doch lohnt sich das alles?

 

Ist der Markt bereit für Trainings mit einem deutlich höheren intellektuellen Niveau? 

 

Wir erleben beide Welten. Natürlich gibt es sie noch, die alte Komplexitätsallergie und die Sehnsucht nach einfachen Lösungen. Aber sie wirken angesichts der Veränderungsdynamik unserer Tage ein wenig wie Donald Trumps Weigerung, seine Wahlniederlage einzugestehen. Trotzdem ist noch viel Lobbyarbeit für Hirn im Unternehmen vonnöten. Ganz im Sinne des Modells der transformationalen Führung braucht es ein hohes Maß an INTELLECTUAL STIMULATION. Um die hinzubekommen, muss Personalentwicklung die Sucht nach dem unmittelbaren Anwendungsnutzen verlernen. Denn die Zwangsprostitution jeder Geistestätigkeit unter die Zuhälterei des betriebswirtschaftlichen Nutzendenkens schnürt das Denken in spanische Stiefel und führt nur zu noch mehr angezüchteter Fachidiotie. Die Fachidioten von morgen aber sitzen in Server Racks, nicht im Stuhlkreis.

 

Warum sollte eine Führungskraft wissen, wie ein Motor zusammengebaut wird? Vielleicht, weil er so seine Meister besser versteht? Warum sollte ein Ingenieur über Neuropsychologie Bescheid wissen? Vielleicht, weil ihm dann die Mechanismen rechtzeitig klar werden, die zum Beispiel zum Dieselskandal geführt haben und weil er dann die Chance hätte, kein Mitläufer zu werden. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Wir wissen immer weniger, welche konkreten Lösungen, Techniken und Modelle wir morgen brauchen. Wir können nur noch auf Sicht entscheiden und selten sehen, was uns nach den nächsten Kurve erwartet. Tun wir also alles dafür, Menschen das selbständige Denken und eine durch Wissen inspirierte Kreativität beizubringen - statt sie lehren zu wollen, was sie konkret zu tun haben!

 

Die Botschaft an Unternehmen lautet: Ja, Soft Skills sind wichtig, aber eine umfassende Bildung, die Soft- und Hard-Skills unabhängig vom unmittelbaren Anwendungsnutzen integriert, ist zu kurz gekommen und wird für die Entwicklung intellektuell autarker und charakterlich starker Persönlichkeiten immer entscheidender. Dies war ursprünglich übrigens der Bildungsauftrag der Gymnasien, die wir heute über die gesamte Lebensspanne nötig hätten. In einer Zeit, in der sich jeder Misthaufen „University“ nennt, bräuchten wir so etwas Bescheidenes und zugleich Revolutionäres wie ein lebenslanges Gymnasium – nur mit einem gewissen Update im Lehrplan und immer neuen, lebensweltlich relevanten Fächern. Denn JEDE/R braucht heute viel mehr Wissen und viel mehr IQ als früher, um überlebens- und zukunftsfähig zu sein. JEDE/R braucht einen generalistischen Überblick über viele der oben genannten Wissensgebiete ohne die Datail-Tiefe eines Hochschulstudiums, um seine Fachexpert*innen führen oder die richtige KI in Auftrag geben zu können. Vor allem aber, um angesichts der tatsächlichen Komplexität der heutigen Welt überhaupt mitreden zu können.  

 

Die Vernachlässigung der intellektuellen Seite in Unternehmen ist streckenweise so beklagenswert, dass unser Mief das Social Distancing wohl zur Dauereinrichtung machte, wäre der Pflegezustand des Geistes ähnlich ruchbar wie der des Körpers. So hörte ich neulich von einem Unternehmen, das eine der großen, renommierten Beratungsfirmen im Haus hatte. Das Ergebnis des sicher nicht sonderlich günstigen Beratungsprozesses war eine Erkenntnis darüber, was man künftig wolle und was nicht. Dies war: „Diversität und keine Bedenkenträger“. Jede fitte Abiturientin würde fragen, wie denn bitteschön Vielfalt gewährleistet werden könne, wenn die Äußerung von Bedenken unerwünscht sei. Menschen mit Hunderttausenden Euro Jahresgehalt haben ihre Toleranz gegenüber kognitiver Dissonanz durch Habituierung soweit erhöht, dass ein derartiger Unfug nicht mehr die Bewusstseinsschwelle überschreitet. Wer jetzt einwendet, ein solches hirnorganisches Komplettversagen wäre ein seltener Einzelfall, hat zu wenig Realitätskontakt. Ähnlicher Schwachsinn liegt vielen gescheiterten Projekten, insolventen Unternehmen und verbrannten Seelen ursächlich zugrunde. 

 

Die Verachtung der kognitiven Dimension, insbesondere im People Development, hat mehrere Ursachen, die es zu erkennen und auszuschalten gilt. Ein wesentlicher Komplex ist dabei die Allianz zweier anscheinend diametral entgegengesetzter Strömungen: 1) einer tendenziell wissenschaftsskeptischen und dafür umso mehr New-Age-affinen humanistischen Psychologie, aus der sich das Gros der Trainer- und Coach-Ausbildungen speist und die für die notorische Bullshit-Anfälligkeit des Personalwesens mit verantwortlich ist. Wem in der Corona-Zeit die überdurchschnittlich vielen Verschwörungs-Posts von Kolleg*innen aufgefallen sind, findet in den nachweisbaren Strukturanalogien zwischen Hippie- und Rechts-Außen-Ideologien zumindest einen Erklärungsansatz. 2) des anti-intellektuellen Pragmatismus US-amerikanischer Prägung mit einer Kultur des Machens zulasten des Denkens, des Keep it Short and Simple, der Bauchentscheidungen. Diese Haltung durften wir zuletzt vier Jahre in der Person des Donald Trump karikiert sehen.

 

Schließlich hat der von Goleman befeuerte Trainer-Mythos von der Überlegenheit der emotionalen gegenüber der kognitiven Intelligenz als Erfolgsfaktor für Beruf und Führung – ungeachtet des Kopfschüttelns der akademischen Psychologie – zu einer Monokultur des gefühlsbetonten Flachsinns in unseren Seminarräumen geführt. Dabei führt das gut gepflegte Intelligenzpotenzial unserer schlauen Köpfe erwiesenermaßen zu besseren Leistungen in unserer immer anspruchsvolleren Berufswelt. Schauen wir schließlich auf die Neurophysiologie dessen, was mit emotionaler Intelligenz gemeint ist, so ist sie ohne exekutive Frontalhirnfunktionen nur schwer denkbar. 

 

Lasst uns also die individuelle und kollektive Intelligenz fördern, mit einem Intelligenzkonzept jenseits des unsinnigen Ausspielens kognitiver gegen emotionale und emotionaler gegen kognitive Aspekte! Lasst uns die menschliche Intelligenz mehren, während die künstliche immer stärker wird. Das ist der aussichtsreichste Weg, aus der Krise in eine transformierte, vielleicht wünschenswertere Welt voranzuschreiten. In den BRAIN-HR Online Ausbildungen findest Du hierzu etliche wertvolle Anregungen. 

 

Viele von den oben aufgeführten Inhalten, die Du so in keiner Trainer- oder Coach-Ausbildung lernst, sind im Ausbildungsseminar Neuropsychologie Learning & Development integriert. Das Neuropsychologie-Seminar ist übrigens auch eine optimale Vorbereitung für all jene Kolleg*innen, die die Zertifizierung und Lizenzierung in unserem neurosystemischen Change-Modell COR-Essentials® besonders fundiert erwerben wollen. Mit der Neuropsychologie kannst Du noch im Dezember starten, die COR-Essentials® Qualifizierung kannst Du von März bis April 2021 oder von April bis Mai 2021 online besuchen. Übrigens durfte ich gemeinsam mit Dr. Margret Klinkhammer für das COR-Essentials® Konzept im November eine bedeutende Auszeichnung im Rahmen des DVCT Training & Coaching Awards 2020 entgegennehmen, worüber ich mich besonders freue. 

 

Im Jahr 2021, so viel sei vorweg verraten, wird die BRAIN-HR Online-Akademie noch einmal einen riesigen Entwicklungssprung machen. Treu der Mission „Intelligenz an die Macht“ (Hashtag: #iq2pwr) kommen zum Kernthema Neuroscience tolle neue Weiterbildungsangebote hinzu. Dazu gehören Ausbildungen in Psychologie, Statistik und Chemie auf der fachlichen Seite und in starker Unternehmenskommunikation auf der Soft Skills-Seite. Außerdem bin ich gerade dabei, mit zwei wundervollen Kolleg*innen eine ganz besondere Coaching-Ausbildung aufzusetzen, die es so noch nicht gibt. Langfristig soll so das lebenslange Online-Gynmasium entstehen. Lass Dich überraschen, schnell kann es geschehn... :-).

 

Wenn Du Lust hast, auch als Trainierende/r mitzuwirken, melde Dich gerne. Ideal ist es, wenn Du über ein einschlägiges Studium, ggf. auch über eine Promotion in einem relevanten Hard Skill Bereich verfügst und zugleich über Erfahrung in der Wirtschaft sowie als als Trainer*in, Berater*in oder Coach. Aktuell bin ich besonders auf der Suche nach Kolleg*innen der Fachrichtungen Volkswirtschaft sowie Mathematik und Physik. Insbesondere die Entwicklung eines Seminars wider den grassierenden Quanten-Bullshit durch eine/n Physiker*in ist mir ein persönliches Anliegen. 

 

Nun wünsche ich Dir und Deiner Familie eine besinnliche Adventszeit und beste Gesundheit. 

 

Herzliche Grüße

 

Franz